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jbs
Korsika 2ooozehn
Kurt Tucholsky
Das Ideal
Ja, das möchste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn -
aber abends zum Kino hast dus nicht weit.
Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:
Neun Zimmer - nein, doch lieber zehn!
Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,
Radio, Zentralheizung, Vakuum,
eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm,
eine süße Frau voller Rasse und Verve -
(und eine fürs Wochenend, zur Reserve) -
eine Bibliothek und drumherum
Einsamkeit und Hummelgesumm.
Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste,
acht Autos, Motorrad - alles lenkste
natürlich selber - das wär ja gelacht!
Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.
Ja, und das hab ich ganz vergessen:
Prima Küche - erstes Essen -
alte Weine aus schönem Pokal -
und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.
Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.
Und noch ne Million und noch ne Million.
Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.
Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.
Ja, das möchste!
Aber, wie das so ist hienieden:
manchmal scheints so, als sei es beschieden
nur pöapö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
hast du die Frau, dann fehln dir Moneten -
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.
Etwas ist immer.
Tröste dich.
Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Daß einer alles hat:
das ist selten.
(1927)
... und Harry Rohwolt kann hier angehört werden:
https://www.youtube.com/watch?v=_R-cns8-X9o
lou-salome - 11. Okt, 21:59
Klasse!! Ich mag beide sehr gern. (Kennen Sie den Schriftverkehr zwischen Rowohlt und Tucholsky, der Gripsholm vorangestellt ist?)
Den Schriftverkehr zwischen obig genannten, den hatte ich völlig vergessen. Ich habe ihn mir gerade wieder erlesen.
" ... eine Liebesgeschichte ... lieber Meister, wie denken Sie sich das? In der heutigen Zeit Liebe? Lieben Sie? Wer liebt denn heute noch? ..."
und weiter weiter ... das Aushandeln der Prozente, und war es nicht schon immer so, dass der Autor sein dünnes Bierchen auf harten Bänken schluckt?!
Übrigens, ein liebenswerter und respektvoller kleiner abgedruckter Briefwechsel, bei dem sich niemand verkauft.
Und nun schwenke ich meinen Hut, grüße Sie recht herzlich, liebe punctum, und freue mich auf baldiges wiederlesen :-)